Rüppurr heute
In einer Zeit der Umweltverschmutzung, saurer Regen und graue Betonstädte dominieren, sehnt sich der Mensch wieder mehr nach der Natur, nach dem Rauschen der Bäume vor den Fenstern, vielleicht sogar nach einem kleinen Garten. Oft jedoch haben Städteplaner diesen Wünschen und Bedürfnissen zu wenig Platz eingeräumt und man muss schon weit vor die Stadt fahren, bis weitläufige Wiesen oder ein klarer Bach zu finden sind. Aber es gibt auch Ausnahmen.
Schon beim Betrachten einer Statistik bundesdeutscher Städte, die mit ausgeprägter Begrünung aufwarten können, richtet sich das Augenmerk auf Karlsruhe, das auf einem der vorderen Plätze liegt.
Jeder, der die ehemalige Hauptstadt Baden kennt, wird dies nur bestätigen können. Karlsruhe mit seinen alten Alleebäumen, dem Schlossgarten, den Grünanlagen und Wäldchen ist wirklich eine Stadt, in der es grünt und blüht.
Will man jedoch nun in Stadtviertel unterteilen, so wird man feststellen, dass die Einheit der drei südlichen, Rüppurr, Dammerstock und Weiherfeld, eine Sonderstellung einnimmt. Jedes der drei Viertel kann mit einer solchen Vielzahl von Gartenanlagen, Grünflächen, Erholungsgebieten, Uferböschungen und weiteren Feldern aufwarten, dass es nicht gelingen wird, das reizvollste von Ihnen herauszufinden.
Aber kennen lernen sollte man sie ein wenig – alle drei – mit ihren Eigenheiten, der eigenen kleinen Geschichte und ihren Häusern. Nicht umsonst sagt man, dass Häuser Spiegel ihrer Bewohnen und ihrer Zeit sind. Und es gibt eine große Palette von Haustypen, angefangen bei den im alten Rüppurr unter Denkmalschutz stehenden Fachwerkhäusern, bis zu den Neubauten am Rüppurrer Schloss. Dass Rüppurr einst nur ein aus einer einzigen Straße bestehendes Dorf war ist richtig. So gab es um das Jahr 1700 lediglich zwei Häuserreihen, bestehend aus 53 Gebäuden längs der Alb, etwa vom alten Rathäusle bis zum Gasthof „Krone“.
Nicht richtig hingegen ist, dass die Bewohner dieser Häuser den Dünkel haben, die eigentlichen, die wahren Ur-Rieberger zu sein. Es ist ein Völkchen, das den neu Zuge zogenen bald das Gefühl gibt dazuzugehören.
Zu lange gibt es schließlich inzwischen die anderen Rüppurrer Wohnviertel – im Grunde eines schöner als das andere, jedes mit ganz eigenem Reiz ausgestattet. Wunderschön gelegen schmiegen sich die Häuser in die Felder oder an den überall nahen Waldrand; der Garten ist fast immer dabei, schlichtweg ein Traum für den Städter, den es seit Jahrzehnten heraus treibt.
Er wurde von den „Ureinwohnern“ herzlich empfangen, er fühlte sich nicht fremd, und schon nach wenigen Jahren war er in den Kreis mit aufgenommen und konnte sich kaum vorstellen, jemals woanders gelebt zu haben.
Es ist schon etwas Besonderes, das alte Dorf, mit seinen jahrhundertealten Bauernhöfen, den verträumten Gesichtern der teils windschiefen Häuschen, in denen schon viele Generationen gelebt haben, mit den seit Bestehen des Dorfes ansässigen Familien, den Fischern, Furrers, Kiefers.
Sonntagen, wenn fast kein Verkehr auf der Langen Straße herrscht, erinnert fast alles an vergangene Tage; ein verträumtes Dörflein, in dem die Zeit stehen geblieben ist. Die muckligen, krummen Häuser (die glücklicherweise noch nicht kaputt-saniert wurden), die winzigen Gässchen zur Alb, das selten gewordene Gackern von Hühnern oder eine muhende Kuh im Stall. Sogar die Luft riecht (neben Benzin) noch ein wenig nach Dorf und Bauernhof, denn Landwirte gibt es in Rüppurr auch noch; wenige zwar, die neben der Hof- und Feldarbeit noch einem „richtigen“ Beruf nachgehen, aber immerhin lohnt es sich heute kaum noch und die Unkosten für Dünger und Futtermittel fürs Vieh steigen zusehends. Auf der Suche nach einem Bauernhof braucht der Ortskundige übrigens nur den klappernden Milchkannen (wer erinnert sich nicht noch mit nostalgischen Gefühlen an die verbeulten, matt silbernen Blechbehälter?) zu folgen, mit denen eine erstaunlich große Zahl an Kunden von nah und fern herb eilt, um sich kuhfrische Milch zu holen.
Kaum ein Fremder ahnt wohl auch die wunderschönen Grundstücke und Gärten, die sich von den an der Alb gelegenen Häusern bis zum Ufer ziehen. Eine Fülle von Blumen, aber querbeet auch alle nur denkbaren Gemüsesorten, Kartoffeln, ab und an ein kleiner Stall Hühner oder Gänse, für den Betrachter ein romantisches Idyll, für den Rüppurrer, der es gewohnt ist, seinen Lehmkeller für den Winter mit Erzeugnissen aus seinem Garten zu füllen, ein ganzes Stück Arbeit; da wird eingemacht, eingelegt, sterilisiert, gejätet, gezopft und gegraben, und fast das ganze Jahr über.
Dass Alt-Rüppurr aber nicht nur aus der Langen Straße besteht, beweisen all die kleinen und größeren Wohnhäuser, die leise und harmonisch die Allmend-, die Löwen- oder die Hedwigstraße füllen. Auch die verschwiegene Nikolaus- und die etwas moderne Pfaustraße wurden nach dem 1. Weltkrieg zusehends bebaut, womit diese Häuser ebenfalls bereits eine ganze Reihe von Jahren auf dem Giebel haben. Teile der Rastatter- und der Lützowstraße sind übrigens im Stil der Gartenstadt bebaut worden. Doch auch in der „alten“ Rastatter Straße (zwischen Kleiner Kirche und Freibad) findet man die hübschesten Häuschen, einige wenige recht moderne Appartementhäuser und kleine Villen. Von den meisten dieser Häuser genießt man einen ungehinderten Blick über die Albwiesen, die „Pappelallee“, den unregelmäßigen Lauf der Alb und in nicht allzu großer Ferne den Wald, der das alte Schloss Scheibenhardt schätzt.
Quelle: „Rüppurr – Weiherfeld – Dammerstock – Ein Bildband“
Verlag Samuel Degen