"Quartier Sonnengrün" der Gartenstadt
Wieder einmal ist ein interessanter Leserbrief in den BNN vom 14.08.10 aufgetaucht:
Bürgermeister und Stadträte drücken sich um Diskussion. Zum Bericht "Entscheidung über "Sonnengrün" rückt näher":
Bürgermeister Obert hat erklärt, für das Rüppurrer Bebauungsplan-Projekt "Sonnengrün" sei eine Bürgerversammlung nicht mehr machbar, weil die Bürger-"Beteiligung über die Offenlage abgedeckt" sei. Das mutet eigenartig an, wenn man sich daran erinnert, dass beim Aufstellungsbeschluss eines Bebauungsplans für das Umfeld der Rüppurrer Nikolauskirche auf Vorschlag von Bürgermeister Obert in der Sitzung des Planungsausschusses am 10. Juli für das Projekt Nikolauskirche eine Bürgerversammlung beschlossen wurde. Eine Bürgerversammlung macht wohl vor allem Sinn, wenn gegensätzliche Meinungen der Bürger zu erwarten sind, oder wenn die Verwaltung die Bürger von der Richtigkeit umstrittener Pläne überzeugen will. Bei der umfassenden Einigkeit bei der Nikolauskirche kann eine Bürgerversammlung wohl kaum eine Bürgerbeteiligung zur demokratischen Diskussion widerstreitender Argumente sein. Sie ist hier überflüssig und kann nur dazu dienen, dass sich Bürgermeister und Stadträte selbst beweihräuchern. Demgegenüber drücken sich Bürgermeister und Stadträte um eine Bürgerversammlung beim Projekt "Sonnengrün", bei der gegensätzliche Meinungen und Kritik an der Stadtverwaltung zu erwarten wären. Selbst wenn formal die im Baugesetzbuch vorgesehene Bürgerbeteiligung durch die "Offenlage" "abgedeckt" ist, schließt das Baugesetzbuch nicht aus, dass eine Bürgerversammlung nachgeholt wird. Das muss besonders dann gelten, wenn das Bürgermeisteramt die Brisanz eines Planes in der Bevölkerung verkannt hat − was bei 140 Einsprüchen wohl offensichtlich der Fall ist − und damit das Bedürfnis nach einer Bürgerversammlung nachträglich einer anderen Einschätzung bedarf. Außerdem haben sich inzwischen neue Gesichtspunkte ergeben, die eine Neubetrachtung erforderlich machen.
Eine Bürgerversammlung ist nicht nur nach dem Baugesetzbuch möglich, sondern auch nach der Gemeindeordnung eigentlich geboten. Nach Paragraf 20 a Gemeindeordnung "soll" der Gemeinderat sowieso "in der Regel einmal im Jahr … eine Bürgerversammlung anberaumen", gegebenenfalls "auf Ortsteile … beschränkt". Das würde es ermöglichen, dass die Verantwortlichen der Stadt mit den Bürgern über alle brennenden (nicht nur Rüppurrer) Themen diskutieren. Gehen sie dem aus dem Weg so hat alles was dann bleibt einen faden Geschmack von Willkür.
Übrigens: bezüglich einer etwaigen Entschädigung der Umwandlung des Umfeldes der Nikolauskirche von etwaigem − nach uraltem Baufluchtenplan und Flächennutzungsplan − Bauland in Grünland, soll das Stadtplanungsamt gegenüber Stadträten die wohl zutreffende Auffassung geäußert haben, dass nur der Wert der tatsächlichen Nutzung als Grünland maßgeblich ist, weil nicht innerhalb von sieben Jahren ab Beginn der Bebaubarkeit gebaut worden ist. Das Gleiche müsste für das Gelände des Projektes Sonnengrün gelten: wenn es der Gemeinderat durch einen Bebauungsplan entsprechend der bisherigen Nutzung als Gartenland ausweisen würde, könnte die Genossenschaft Gartenstadt vertragsgemäß das Gelände an das Land Baden-Württemberg zurückgeben. Das Land würde dann nicht den Kaufpreis von etwa eineinhalb Millionen Euro erhalten. Dies aber sicher verkraften.
Gerhard Wiedl Tulpenstraße 17
Eine Antwort kam am 26.08.2010 in den BNN:
Mehrheit der Rüppurrer möchte die Wohnungen
Zum Leserbrief "Bürgermeister und Stadträte drücken sich um Diskussion" von Gerhard Wiedl: Herr Wiedl fordert in seinem Leserbrief eine nachträgliche Bürgerversammlung zum Thema "Sonnengrün" in Rüppurr mit der Begründung, dass bei 140 Einsprüchen das Bürgermeisteramt die Brisanz des Projektes verkannt hat. Das kann für mein Dafürhalten nicht unwidersprochen bleiben. Ohne die Qualität der Einsprüche beurteilen zu können, sind 140 Einsprüche von der Quantität eine geringe, vielleicht sogar zu vernachlässigende Minderheit. In Relation mit der Bürgergemeinschaft Rüppurr mit circa 1 000 Mitgliedern gesetzt, haben gerade einmal 14 Prozent Einspruch erhoben. Setzt man die Zahl der Einsprüche mit der Gesamtheit der Rüppurrer Bevölkerung von circa 10 000 Einwohnern in Relation, verbleiben gerade 1,4 Prozent der Rüppurrer, die Einspruch gegen das neugeplante Quartier erheben. Die Gegner des Quartiers sind zwar lautstark, aber sie sind und bleiben eine geringe Minderheit. Hier von "Brisanz" zu sprechen, halte ich schlichtweg für eine Falschaussage.
Fazit: Es mag Kritikpunkte bezüglich der Gestaltung (aktiver Lärmschutz) beziehungsweise der Bauweise geben, trotzdem erkennt die überwiegende Mehrheit der Rüppurrer die Sinnhaftigkeit von bedarfsgerechten, barrierefreien beziehungsweise rollstuhlgerechten Mietwohnungen und spricht sich nicht ausdrücklich gegen das Quartier aus. Dies sollte von den lautstarken Gegnern der Bebauung anerkannt werden.
Dr. Thomas Greß Blütenweg 4
Da auch die BGRüppurr angesprochen wurde möchte ich mich hier dazu äußern.
Ich kann die Argumentation von Herrn Dr. Greß nicht nachvollziehen. Wenn die Argumentation stimmen würde, dann haben 110810 ca. 3% der Bevölkerung (500 000 Montagsdemonstranten in Leipzig gegenüber 16 675 000 Einwohnern der ehemaligen DDR) gegen einen Unrechtsstaat demonstriert und später zu Fall gebracht. Es waren aber 107 % der Bevölkerung mit diesem Staat einverstanden?!
Anderes Beispiel derzeit demonstrieren in Stuttgart ca. 20 000 Menschen gegen einen Bahnhof, der am Ende ca. 4 066 000 000 € kosten wird. Stuttgart hat ca. 600 000 Einwohner. Nach Argumentation von Herrn Dr. Greß sind also ca. 106,5% der Stuttgarter für dieses Milliardenprojekt, das im Endeffekt eine Minute Zeitgewinn für die Bahn bringt?!
Dies zu Ihrer "Falschaussage" im Leserbrief.
Abschließend möchte ich noch einmal klarstellen, dass es dem Vorstand der Bürgergemeinschaft Rüppurr nicht um die Verhinderung des Wohnprojektes der Gartenstadt ging, sondern um die Ausführung. Dieser Meinung schließen sich übrigens auch andere Gegner an.
Herbert Müller
Vorsitzender BGRüppurr